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Es geht um die eigene Identität

Ein Online-Workshop und eine Podiumsdiskussion über die Erfahrungen von LGBTQ+-Forscher*innen im MINT-Bereich zeigten, wie wichtig aktive Inklusion in der Wissenschaft ist.

Der 18. November ist der internationale Tag der LGBTQ+ Forscher*innen in MINT Fächern, und verleiht den Leistungen von LGBTG+ Wissenschaftler*innen Sichtbarkeit. Das Equal Opportunity and Diversity Committee des CIBSS nahm dieses Datum zum Anlass, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig ein Bewusstsein für die Belange von LGBTQ+-Wissenschaftler*innen ist. Ein Online-Workshop und eine Podiumsdiskussion lieferten Denkanstöße und betonten die Bedeutung davon, die LGBTQ+-Gemeinschaft in MINT-Fächern sichtbar zu machen und ein Bewusstsein für sie zu schaffen. In Verbindung mit einer anonymen Umfrage, die im Vorfeld der Veranstaltung stattgefunden hatte, wurde während der Diskussion deutlich, dass LGBTQ+-Forscher*innen unabhängig von Institution und Karrierestufe viele Erfahrungen teilen – negative sowie positive. Zwei Aspekte waren dabei besonders hervorgehoben: dass es wichtig ist, der eigenen psychischen Gesundheit Vorrang einzuräumen, und wie wichtig aktiver Inklusivität im Arbeitsumfeld ist. Beide Punkte sind zwar universell anwendbar, aber besonders relevant für Mitglieder von Minderheitengruppen wie der LGBTQ+-Gemeinschaft.

 

 

Die gute Nachricht zuerst: Die große Mehrheit der einhundert Umfrageteilnehmer*innen aus CIBSS und anderen Forschungseinrichtungen gab an, dass ihr Arbeitsumfeld LGBTQ+-freundlich ist und dass sie selbst oder Kolleg*innen keine Nachteile am Arbeitsplatz aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität erfahren hätten. “Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich bei der CIBSS oder der Universität im Allgemeinen verstecken muss. Ich bin zuversichtlich, dass ich Unterstützung erhalten würde, wenn ich jemals mit einer Art von Queer-Phobie konfrontiert würde", heißt es in einer der anonymen Antworten. Viele der Befragten und auch die Teilnehmenden der Online-Veranstaltung wiesen jedoch darauf hin, dass Toleranz möglicherweise nicht ausreicht, um ein offenes Arbeitsumfeld zu schaffen, das Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft aktiv einbezieht. „Während wir denken, dass das Umfeld freundlich sein könnte, sind wir immer noch zögerlich und befürchten, dass ein Outing eher negativ als positiv sein könnte“, fügte CIBSS-Mitglied Dr. Peter Walentek hinzu, der die Veranstaltung mitorganisierte.

 

LGBTQ+ im akademischen Bereich: Auswirkungen auf die psychische Gesundheit

Diese Zurückhaltung erläuterte Wendy Ingram, PhD, CEO und Gründerin der gemeinnützigen Organisation Dragonfly Mental Health, während ihres Workshops: „In einem Umfeld, das zwar tolerant ist, aber LGBTQ+-Identitäten nicht aktiv miteinbezieht, fühlen Menschen immer noch die Notwendigkeit, zu verbergen oder herunterzuspielen, wer sie sind“, sagte sie. Dies kann sich negativ auf die psychische Gesundheit der Betroffenen auswirken. Ein Umfeld, das aktiv inklusiv ist, indem es beispielsweise Unterstützungsnetzwerke anbietet oder nicht-inklusive Handlungen kategorisch ablehnt, kann insbesondere denjenigen helfen, die mit zusätzlichen Herausforderungen wie Sprachbarrieren, Rassismus oder sexueller Belästigung konfrontiert sind.

Podiumsdiskussion

Die folgende Diskussion, die von CIBSS-Mitglied Prof. Dr. Anne Classen moderiert wurde, zeigte, wie real und relevant die zuvor beschriebenen Sorgen für das Leben Einzelner sind. „Während meiner akademischen Laufbahn war ich immer in Forschungsgruppen, die offen und akzeptierend waren“, sagte Dr. George Caputa. Caputa arbeitet als Senior Editor bei der Zeitschrift Nature und identifiziert sich als nicht-binär. „Aber besonders wenn man sich größeren Gruppen anschließt, fragt man sich immer, ob es eine Person gibt, die einem feindlich gesinnt ist.“ Diese Notwendigkeit einer ständigen bewussten Entscheidungsfindung bezüglich ihrer LGBTQ+-Identität in neuen sozialen Umgebungen ist eine Erfahrung, die alle Diskussionsteilnehmer*innen teilten: „Jedes Mal fragt man sich: Soll ich mich outen?“, sagte Kyle Austin, der das IMPRS-Programm am MPI-IE koordiniert. Auch wenn der Umgang mit solchen Situationen mit der Zeit einfacher werden kann, sind sie nur eines der zusätzlichen Hindernisse und Sorgen, mit denen LGBTQ+-Wissenschaftler*innen während ihrer Karriere konfrontiert sind. Prof. Dr. Carien Niessen, wissenschaftliche Koordinatorin des CECAD an der Universität zu Köln, betonte, dass es bei diesen regelmäßigen Mikro-Coming-outs um die eigene Identität geht, nicht um Sexualität: „Es geht darum, wer man ist. Zum Beispiel die Frage ‚Wie geht es deinem Mann?‘ – wenn jemand diese Frage stellt, soll ich ihn oder sie dann korrigieren? Oder soll ich verstecken, wer ich bin?“

 

Die Podiumsteilnehmer*innen sagten zwar, dass sie versuchen, immer offen zu sein und selbst die Vorbilder zu sein, die sie sich selbst gewünscht hätten. Aber sie verstehen auch, dass sich nicht jede*r dazu bereit fühlt. „Insgesamt waren meine Erfahrungen positiv, aber ich habe mich erst geoutet, als ich Gruppenleiterin war“, sagte Niessen. Sie verwies in dem Zusammenhang auch auf die starke Unterstützung, die sie von ihrem privaten Netzwerk erhielt. Und Caputa fügte hinzu: „Ich musste lernen, für mich selbst einzutreten und meine eigene psychische Gesundheit in den Vordergrund zu stellen. Das ist eine lebenslange Lektion und ich hoffe, dass jüngere Wissenschaftler*innen das besser machen.“

 

 

Kontakt- und Beratungsstellen in Freiburg

Weitere Ressourcen

Das CIBSS Equal Opportunity and Diversity Committee

Prof. Dr. Anne Classen: anne.classen(at)biologie.uni-freiburg.de
Dr. Peter Walentek: peter.walentek(at)medizin.uni-freiburg.de
Dengfeng Huang: dengfeng.huang(at)cibss.uni-freiburg.de