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Neue Einblicke in die mitochondriale Signalintegration

CIBSS-Forschende identifizieren Proteinkinase DYRK1A als zentralen Regulator für die Importwege in Mitochondrien

Ein Team von Forschenden am Exzellenzcluster CIBSS der Universität Freiburg hat einen wegweisenden Signalweg identifiziert, der für die präzise Koordination der Importprozesse in Mitochondrien verantwortlich ist. Eine Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Chris Meisinger und Prof. Dr. Nora Vögtle konnte zeigen, wie DYRK1A, eine Schlüsselkinase im Zytosol, die unterschiedlichen Importwege in Mitochondrien synchronisiert und an die jeweiligen Stoffwechselbedingungen anpasst. Diese Entdeckung eröffnet neue Perspektiven für das Verständnis von mitochondrialen Erkrankungen, einschließlich solcher, die mit genetischen Veränderungen wie dem Down-Syndrom assoziiert sind. Die Studie wurde vor kurzem veröffentlicht in Nature Communications (2024).

 

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Mitochondrien menschlicher Zellen (hellgrün), blau eingefärbt ist der Zellkern. Bild: Arbeitsgruppe von Claudine Kraft.

Die Rolle der Signalintegration an der „mitochondrialen Eintrittspforte“ für den Energiestoffwechsel der Zellen

Mitochondrien sind lebenswichtige Organellen, die zentral für den Energiestoffwechsel von Zellen sind. Als sogenannte „Zellkraftwerke“ wandeln sie die in unserer Nahrung gespeicherte Energie in die von Zellen nutzbare Energieform Adenosintriphosphat (ATP) um. ATP hat eine fundamentale Bedeutung für zahlreiche zelluläre Prozesse und biologische Funktionen: Als „Treibstoff“ liefert es die für zelluläre Aktivitäten notwendige Energie – beispielsweise für die Zellteilung und viele andere wichtige biochemische Vorgänge.

An diesem Prozess sind mehr als eintausend verschiedene Proteine beteiligt, die im Genom des Zellkerns kodiert sind. Diese sogenannten Präproteine werden im Cytosol (Zytoplasma) synthetisiert und anschließend in die Mitochondrien importiert. Dabei werden sie von spezifischen Importrezeptoren wie TOM20, TOM70 und TOM22 gebunden und von diesen zum sogenannten TOM-Komplex (Translocase of the Outer Membrane), einer komplexen Proteinmaschinerie in der äußeren Membran von Mitochondrien geliefert, wo sie schließlich in die Mitochondrien eingeschleust und durch verschiedene Sortierungswege zu ihrem Zielort transportiert werden. Als Hauptzugangspunkt für den Import von Proteinen in die Mitochondrien ist der TOM-Komplex besonders empfindlich für aus dem Zytosol kommende Signalmechanismen, die die Funktionen der Mitochondrien beeinflussen können. Unter verschiedenen Stoffwechselbedingungen oder unter Stress können bestimmte Proteinkinasen aktiviert werden, die die verschiedenen TOM-Rezeptoren durch Phosphorylierung regulieren. Für diesen Zusammenhang hat Biochemiker und CIBSS-Mitglied Prof. Dr. Chris Meisinger mit seiner Arbeitsgruppe an der Universität Freiburg in früheren Studien bereits mehrere Signalwege identifiziert, die jedoch bisher spezifisch für einzelne Importrezeptoren und die zugehörigen Importwege waren.

Die Proteinkinase DYRK1A als wichtiger Regulatormitochondrialer Importwege

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Nora Vögtle, stellvertretende Direktorin des Zentrums für Molekulare Biologie an der Universität Heidelberg und CIBSS-Mitglied, gelang nun die Identifikation eines Signalintegrators, der die verschiedenen Importwege überwacht und synchronisiert, sodass die Mitochondrien die für die jeweilige Stoffwechsellage erforderliche Proteinausstattung erhalten. Hierbei handelt es sich um die Proteinkinase DYRK1A (Dual-specificity tyrosine-phosphorylation-regulated kinase 1A), die die Forschenden zuvor als Aktivator des TOM70 Rezeptors identifiziert hatten. In weiterführenden Untersuchungen konnten sie nun zeigen, dass die Aktivität von DYRK1A die Menge der anderen Importrezeptoren reguliert. Dies führt zu einem Umbau des TOM-Komplexes, der es ermöglicht, die verschiedenen Importwege an die akute Stoffwechsellage anzupassen. „Somit konnten wir erstmals zeigen, dass ein Signalweg im Cytosol die verschiedenen mitochondrialen Importwege miteinander synchronisieren kann“ so Meisinger.

Wissenschaftliche Kontroverse über TOM70-Phosphorylierung und Entdeckung der besonderen Eigenschaften von DYRK1A

Die in der Studie beschriebene Entdeckung wäre den Forschenden nicht gelungen, wären sie nicht auf die Veröffentlichung einer anderen Arbeitsgruppe gestoßen, die behauptete, TOM70 würde nicht von DYRK1A, sondern von einer anderen Kinase phosphoryliert. Von diesen gegensätzlichen Ergebnissen überrascht, überprüften Chris Meisinger, Nora Vögtle und ihre Arbeitsgruppen die dort unternommenen Experimente umfassend und fanden heraus, dass ein in der anderen Studie verwendeter Inhibitor unspezifisch die DYRK1A Kinase hemmt. Dadurch wird die Produktion anderer TOM-Rezeptoren aktiviert, was wiederum zur Aktivierung von beispielsweise TOM20-abhängigen Importwegen führt. „Ohne die Überprüfung und Korrektur der konkurrierenden Studie hätten wir die Rolle von DYRK1A bei der Synchronisierung der mitochondrialen Importwege vermutlich nicht entdeckt“ so Vögtle.

Die Rolle von DYRK1A bei der mit Down-Syndrom assoziierten mitochondrialen Dysfunktion

Die in der Studie von Meisinger/Vögtle untersuchte Proteinkinase DYRK1A spielt eine wesentliche Rolle bei Down-Syndrom. Bei Menschen mit Down-Syndrom ist die DYRK1A-Expression erhöht, d.h. im Zellgewebe sind höhere Mengen des Enzyms vorhanden. Die Forschenden vermuten, dass dadurch die Aktivität der mitochondrialen Importmaschinerie fehlreguliert ist. Diese Fehlfunktion des mitochondrialen Stoffwechsels bei Down-Syndrom ist seit langem bekannt, Meisinger/Vögtles Erkenntnisse liefern nun eine mögliche molekulare Erklärung.

 

Originalpublikation:

Marada A., Walter C., Suhm T., Shankar S., Nandy A., Brummer T., Dhaouadi I., Vögtle F.-N., Meisinger C. (2024). DYRK1A signalling synchronizes the mitochondrial import pathways for metabolic rewiring. In: Nature Communications. 15:5265. DOI: 10.1038/s41467-024-49611-4.

 

CIBSS-Profil von Prof. Dr. Chris Meisinger

CIBSS-Profil von Prof. Dr. Nora Vögtle